Viel wurde über die Feuer im Regenwald berichtet, aber wenig über die Menschen, die dort leben. Ein Interview mit Pedro Da Silva Souza, Projektpartner der Dreikönigsaktion im Amazonasgebiet.

Wie wirken sich die Brände auf das Leben der Menschen aus?
Indigene und Uferbewohner sind am stärksten von den Bränden betroffen, da diese Gebiete ihre Lebensgrundlage darstellen, zum Beispiel durch die Jagd – die Tiere jedoch fliehen oder verbrennen, sobald der Wald in Flammen steht. Durch die Zerstörung von Nutz- und Obstbäumen wie etwa Andiroba, Copaíba und Palmen verlieren die Menschen einen großen Teil ihrer Nahrungsquellen. Noch schlimmer ist es, wenn ihre Felder betroffen sind. Maniok, Kartoffeln, Mais und Bananenstauden wurden vernichtet. Auch das Saatgut geht so verloren. Der Fluss und die darin heimischen Arten leiden auch unter den Bränden, da die Ernährung und somit Fortpflanzung vieler Fische von den Früchten der Bäume abhängig ist. Der Fischbestand sinkt.
Warum brennt der Regenwald?
Die Hauptursachen der Brände sind: die Expansion der Agrarindustrie, die Auflösung und Reduzierung der finanziellen Ressourcen der Umweltbehörden – dadurch gibt es kaum mehr Kontrolle – und dass die aktuelle Regierung quasi ermutigt Umweltverbrechen zu begehen, den Wald anzuzünden.
Wie werden Brandrodungen in der Region üblicherweise durchgeführt?
Die Brandrodungen werden für die Vorbereitung neuer Felder durchgeführt. Die indigenen Völker und traditionellen Gemeinschaften verwenden Techniken, bei denen sie eine kleine Ackerfläche kontrolliert verbrennen, um ihre Familien das ganze Jahr über ernähren zu können. Von der Agrarindustrie wird diese Praxis jedoch exzessiv genutzt, um beispielsweise die Viehzucht auszubauen. Es werden Feuer gelegt und diese werden einfach brennen gelassen, soweit es sich ausbreitet. So können sie noch mehr Vieh halten und sich immer mehr Land unter den Nagel reißen. Dieselbe Technik wird von Holzfällern und Produzenten von Monokulturen wie Soja angewendet. Umweltschutzgebiete und indigene Gebiete werden ins Visier genommen, da die Feuer – auf illegale Weise – Zugang zu Land schaffen, der legal nicht möglich wäre.
Was bedeuten Wald und Fluss für die Indigenen?
Land ist für indigene Völker Leben. Indigene Völker sehen Land, Wald und Flüsse nicht als Ware an, die man verwerten, zerstören, verkaufen, etc. kann. Ihre Beziehung geht weit über den Besitz hinaus, sie betrachten ihr Land als Teil ihrer selbst.
Wie siehst du die Zukunft des Amazonas, der indigenen Völker der Region? Was müsste geschehen, um die Situation zu verbessern?
Die Maßnahmen der Regierung, wie etwa der Abbau in den Behörden für Umwelt- und Indigenenschutz, könnten noch dramatischere Zukunftsszenarien zur Folge haben, wenn die Organisationen der Zivilgesellschaft und sozialen Bewegungen nicht stark reagieren – so wie es die indigenen Völker getan haben – um die zerstörerische Gier der Konzerne und derer, die an der Ausbeutung der Reichtümer der Amazonasregion interessiert sind, aufzuhalten.
Du bist Delegierter bei der Amazonien-Synode. Was kann die Synode tun, was kann die Kirche tun, um diese Situation zu verbessern?
Indigene Völker bitten die Kirche, ihre Stimme zu verstärken und nach außen zu tragen. Die Synode ist ein Ort, wo die dringende Botschaft so vieler Völker gehört werden kann: dass die Erde unsere Mutter ist und gepflegt werden muss. Die Kirche kann ihrer Verpflichtung gegenüber den Völkern nachkommen: sich für sie engagieren: ihre Kämpfe sichtbar machen, die Großprojekte und die Gewalt gegen sie anprangern, die Debatte über integrale Ökologie, Agrarökologie und andere Wirtschaftsformen in die Zivilgesellschaft bringen und einen Wandel des Konsumverhaltens fördern.
Die Synode kann zur Verbreitung und Sichtbarkeit von Missständen sowie zur Unterstützung der traditionellen Gemeinschaften und Hüter dieser heiligen Stätten beitragen, gegen all die Zerstörungsprojekte und -prozesse, die darauf abzielen, den Amazonas zu einem Handelszentrum zu machen. Die Synode wird ein internationales Podium für die Anliegen und Sichtbarkeit der Völker Amazoniens sein.
Was können wir in Europa tun, um euch zu unterstützen?
Viele der Dinge, die im Amazonasgebiet geschehen und Auswirkungen auf indigene Völker haben, haben ihre Wurzeln in Europa. Es ist wichtig, dass die Menschen sehen, dass ihr Verhalten und ihre Lebensweise mit dem zusammenhängen, was hier passiert. Wenn wir über Probleme wie den Klimawandel sprechen, sollte es ein Bewusstsein dafür geben, dass die indigenen Völker etwas zu sagen haben und Teil der Lösung dieses schwerwiegenden Problems sind. Ihre Art und Weise zu leben und ihre Beziehung zur Erde können für uns alle ein Leitbild sein.
Die Amazonas-Synode
… findet vom 6. bis 27. Oktober im Vatikan statt. Sie steht unter dem Thema: „Amazonien: neue Wege für die Kirche und eine ganzheitliche Ökologie“. Das Bischofstreffen will Umweltschäden im Amazonasgebiet und deren soziale Folgen in den Blick nehmen. Den Rahmen bildet hier die Umwelt-Enzyklika Laudato si‘ von Papst Franziskus.
Amazonien umfasst ein Gebiet von siebeneinhalb Millionen Quadratkilometern in neun Ländern, darunter Brasilien, Peru, Venezuela, Bolivien und Kolumbien. Es bedeckt fast die gesamte nördliche Hälfte des Kontinents Südamerika und zählt zu den wichtigsten Ökosystemen, der sogenannten „grünen Lunge“ der Welt.
Für die Dreikönigsaktion werden Sr. Anneliese Herzig und Herbert Wasserbauer vor Ort sein. Viele Vertreter/innen von Partnerorganisationen der Dreikönigsaktion werden daran teilnehmen. Pedro Da Silva Souza – Mitarbeiter von CIMI, dem Rat der brasilianischen Bischofskonferenz für indigene Völker, ist einer von ihnen.