
Während der der Kampf gegen COVID-19 in Brasilien skurrile Formen annimmt – Ein Gericht in Rio hat es der Regierung untersagt, Empfehlungen gegen Ausgangsbeschränkungen aufgrund des Coronavirus zu verbreiten, die Richter ordneten die Einstellung der Regierungskampagne „Brasilien darf nicht stillstehen“ an – berichten unsere Projektpartner/innen, dass wieder einmal die Indigenen Völker besonders gefährdet sind.
Mittlerweile zeigt sich jedoch sogar der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro ungewohnt mitfühlend. «Das Virus ist eine Realität. Wir stehen vor einer der größten Herausforderungen unserer Generation.» sagte er bei einer TV-Ansprache am Dienstagabend (31. 3.). Zuvor hatte er wochenlang die Gefahr durch das Coronavirus kleingeredet und Gouverneure, die härtere Maßnahmen einführten, übel beschimpft. Die Zahl der Infektionen in Brasilien hat sich innerhalb von einer Woche auf 5700 mehr als verdreifacht (bisher 200 Tote).
Adriana Huber, eine langjährige Mitarbeiterin unserer Partnerorganisation CIMI schreibt: „Wie wohl jetzt an vielen Orten, ist auch in Manaus und in Boa Vista und immer öfter auch im Hinterland Amazoniens alles geschlossen. Als hier die ersten Corona Fälle auftauchten, waren viele noch völlig relaxt, denn es gab das Gerücht, dass das Virus tropische Temperaturen über 25 Grad nicht überlebt. Mittlerweile ist aber alles eingestellt, aller Verkehr auch auf den Flüssen. Die Grenzen zu Peru, Kolumbien und Venezuela wurden geschlossen. Es ist bekannt, dass die Immunsysteme der Indigenen Völker gegenüber Krankheiten, mit denen sie noch nicht in Berührung gekommen sind, sehr sensibel sind. Deshalb haben die Indianerorganisationen darum gebeten, alle Indigenen mögen in ihren Dörfern bleiben und niemand von außen solle die indigenen Gebiete jetzt betreten.“
Dom Roque Paloschi, Nachfolger Bischof Kräutlers als Vorsitzender von CIMI, befürchtet, dass die Regierung den Indigenen keine Unterstützung während der Coronakrise zukommen lassen wird, weil sie schon vorher völlig untätig war. Er erläutert, dass bereits im Vorjahr 22,6% aller Todesfälle bei Indigenen auf Atemwegserkrankungen zurückzuführen waren (www.cimi.org.br). Durch die Quarantäne-Maßnahmen könnte auch die Lebensmittelversorgung der entlegen lebenden Indigenen bedroht sein. Es ist zu befürchten, dass es schon in wenigen Tagen zu Engpässen kommen könnte.
Neben Corona wütet auch die Holzmafia
Während Brasilien großteils still steht, ist die Holzmafia in Amazonien weiter aktiv und beseitigt all jene, die ihre Vorhaben behindern. Gestern, am 31.3. wurde Zezico Rodrigues vom Volk der Guajajara (Maranhao) erschossen aufgefunden. Als indigener Lehrer, Schuldirektor und gewählter Vertreter des Rates der Kaziken war er eine mahnende Stimme gegen die fortschreitende Abholzung in der Region. Schon im November und Dezember 2019 wurden 4 Guajarara Indigene ermordet. Unser Projektpartner CIMI fordert gemeinsam mit Greenpeace, CTI und ISA von der Regierung und den zuständigen Instanzen den Schutz aller indigenen Territorien, alle nicht Indigenen aus den Indianergebieten zu entfernen (auch als Prävention zur Verbreitung des Coronavirus unter den Indigenen), die Verantwortlichen für den Mord zu suchen und zur Rechenschaft zu ziehen sowie sofortige Nothilfemaßnahmen im Gesundheitsbereich für freiwillig isoliert lebende indigene Völker.

Filmbeitrag im NDR zu Situation Brasilien: https://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/weltspiegel/brasilien-216.html
Weitere Infos finden sich auch auf der englischsprachigen Seite des Sozio-ökologischen Instituts ISA.