Auf der anderen Seite der Rohstofflieferkette

Woher kommen unsere Rohstoffe? Vom Schiff. Zumindest endet dort nicht selten die Nachvollziehbarkeit der Herkunft vieler Rohstoffe, die zu uns nach Europa geliefert werden. Hier werden sie weiterverarbeitet und auch genutzt. Der größte Teil der Wertschöpfung passiert hier bei uns.

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Die jahrzehntelange staubige Arbeit im Kohlebergwerk hat die Bergleute schwer lungenkrank gemacht. Lokale Partner/innen der Dreikönigsaktion unterstützen sie in ihrem rechtlichen Kampf um Entschädigung.

Vergiftete Umwelt, kranke Menschen

Doch was spielt sich auf der anderen Seite der Lieferkette ab, dort wo Rohstoffe im großen Stil abgebaut werden? Wer sich auf die Suche nach Antworten auf diese Frage begibt, stößt auf Geschichten wie jene der lungenkranken Ex-Kohlebergarbeiter aus Makuya in der südafrikanischen Provinz Limpopo. Aufgrund mangelnder Schutzvorkehrungen während der jahrelangen Arbeit unter intensiver Kohlestaubbelastung im Bergwerk wurden sie schwer lungenkrank, arbeitsunfähig und daraufhin meist ohne Entschädigung entlassen. Nachdem die Mine 2014 geschlossen wurde, kam nicht nur die lokale Wirtschaft zum Erliegen und hinterließ die Bevölkerung praktisch ohne Erwerbsmöglichkeiten, es schloss auch die örtliche Klinik, die kranken Bergarbeiter stehen also auch ohne lokale medizinische Versorgung da. Die Justice & Peace-Kommission der Katholischen Bischofskonferenz Südafrikas, eine Partnerorganisation der Dreikönigsaktion der Katholischen Jungschar, unterstützt die Ex-Kohlebergarbeiter derzeit in einer Sammelklage gegen die Kohleminenbetreiber, damit sie die ihnen zustehende Entschädigung für ihre arbeitsbedingte Krankheit erhalten.

Oder man stößt auf die Geschichte der informellen Siedlung MNS (benannt nach einem Minenunternehmen) in der südafrikanischen Provinz Mpumalanga, deren Bewohner/innen ohne Trinkwasser, Strom, Klinik oder Schule auskommen müssen, während die Leitungen direkt an der Siedlung vorbei Wasser und Strom in die Kohlemine hineintransportieren und schwere LKWs die Kohle auf der direkt an der Siedlung vorbeiführenden Straße heraustransportieren. Was den Bewohner/innen bleibt, ist der intensive Staub, den die Arbeiten in der nahegelegenen Kohlemine und der Schwerverkehr aufwirbeln. Oder das Warten auf Trinkwasser, das alle zwei bis drei Wochen in die Wassertanks gefüllt wird. Oder der vergiftete, ungesicherte Krater von der stillgelegten Mine nebenan, aus dem sie schwermetallverseuchte Kohlereste zum Kochen vor den Wellblechhütten holen und der ihren Kindern als Spielplatz dient.

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Warten auf Trinkwasser, das alle 2-3 Wochen in die Siedlung geliefert wird.

Geschichten wie jene der Bergarbeiter von Makuya oder der Siedlung MNS haben System und wiederholen sich überall auf der Welt. Für einzelne Betroffene erscheint es unmöglich, die Schuldigen an ihrer Misere zur Verantwortung zu ziehen. Global agierende Bergbaukonzerne sind ein schier übermächtiger Gegner. Unsere Partner/innen sind jedoch überzeugt: Nur wer sich zusammenschließt und geeint auftritt, hat eine reale Chance, zu seinem Recht zu kommen und mächtigen Wirtschaftsinteressen die Stirn zu bieten.

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Krater einer stillgelegten Kohlemine direkt neben der Siedlung MNS

Vernetzung geschieht: Erstes Weltsozialforum zu Bergbau und Extraktivismus in Johannesburg, Südafrika

Aus diesem Grund trafen Mitte November 2018  etwa 300 Aktivist/innen aus vom Bergbau betroffenen Gemeinschaften und zivilgesellschaftlichen Organisationen aus 60 Ländern zum ersten Thematischen Sozialforum zu Bergbau und Extraktivismus in Johannesburg zusammen. Die Dreikönigsaktion der Katholischen Jungschar hat das Forum mitorganisiert und war gemeinsam mit zahlreichen Partnerorganisationen, die betroffene Gemeinschaften in den Bergbauregionen Afrikas, Asiens und Lateinamerikas vertreten oder diese unterstützen, vor Ort.

Die Geschichten von Makuya und MNS wiederholten sich auf dem Forum immer und immer wieder. Sie handeln zwar von verschiedenen Rohstoffen und die konkreten Rahmenbedingungen in Ländern Asiens, Afrikas oder Lateinamerikas mögen sich unterscheiden, doch die strukturellen Grundzüge, die der derzeitige weltweite Wettlauf um Rohstoffe hervorbringt, sind dieselben: Lokale Gemeinschaften, die keinerlei Mitspracherecht über Bergbau-Projekte haben, geschweige denn, davon nennenswert profitieren – das Gros der Wertschöpfung und die verarbeitende Industrie mit gut bezahlten Jobs entstehen anderswo. Menschen, die unter ausbeuterischen Arbeitsbedingungen in Minen arbeiten, Menschen, die für neue Minenprojekte aus ihren Häusern vertrieben werden. Es kommt zu massiver Zerstörung der Umwelt, die lokale Bevölkerung leidet unter den hohen Gesundheitsbelastungen. Jene, die sich gegen die Projekte stellen, werden mit Gewalt eingeschüchtert.

Wenn die Geschichte von Frauen erzählt wird, kommen meist sexuelle Gewalt und Ausbeutung als Konstante hinzu. Sie berichten auch von der Situation der Kinder in betroffenen Gemeinschaften, denen nicht nur Zukunftsperspektiven geraubt werden. Auch im Hier und Jetzt leiden sie besonders unter den massiven Gesundheitsbelastungen durch Bergbauaktivitäten und sind den Gefahren ausgesetzt, die ungesicherte oder verlassene Minen häufig mit sich bringen.

Hauptprofiteure dieser Geschichten sind transnationale Bergbau- und Rohstoffunternehmen, die Gewinne mit Steuertricks aus den Ländern schleusen. Die wichtigste Erkenntnis des Forums ist, dass es sich bei den Fallbeispielen keineswegs um bedauerliche Einzelfälle handelt, sondern um strukturelle Auswirkungen eines menschenverachtenden Wirtschaftssystems, in dem Menschen einzig als Humankapital oder lästige Störenfriede und Natur als zu Geld machbare natürliche Ressource betrachtet werden.

Auf dieser Basis bot das Forum den notwendigen Raum, um eine breite internationale Bewegung ins Leben zu rufen, die sich den zerstörerischen Auswirkungen dieses ökonomischen Modells im Dienste weniger entgegenstellt und das „Recht, Nein zu sagen“ einfordert, das Recht der betroffenen Gemeinschaften, über ihr Schicksal, ihre Lebensgrundlagen zu entscheiden.

Ein wichtiger Schritt zur Einhaltung der Menschenrechte für jene, die durch den Bergbau zu Schaden kommen, ist die Einschränkung der Macht von transnationalen Konzernen. Dafür sind rechtlich bindende internationale Verträge – etwa das derzeit bei der UNO verhandelte Abkommen zur menschenrechtlichen Verantwortung (transnationaler) Unternehmen von zentraler Bedeutung. Gemeinsam mit anderen Organisationen setzt sich die Dreikönigsaktion der Katholischen Jungschar seit Jahren dafür ein, dass die EU und ihre Mitgliedsstaaten ihre Blockadehaltung aufgeben und sich konstruktiv in den genannten UN-Prozess einbringen.

Auch dafür sind in den Tagen nach Weihnachten wieder 85.000 Sternsingerinnen und Sternsinger unterwegs: Damit die Menschenrechte 70 Jahre nach ihrem Beschluss für alle Menschen Wirklichkeit werden.

isabella.wieser@dka.at

Weiterführende Links:

Abschlusserklärung des Thematischen Sozialforums zu Bergbau und Extraktivismus in mehreren Sprachen (für die deutsche Version nach unten scrollen).

Aktionsplan des Thematischen Sozialforums zu Bergbau und Extraktivismus.

Auf der Website des Dachverbands der katholischen Hilfswerke CIDSE gibt es tägliche Kurzberichte zum Thematischen Sozialforum zu Bergbau und Extraktivismus nachzulesen.

Im Anschluss an das Thematische Sozialforum in Johannesburg fuhr eine Gruppe aus Mitarbeiter/innen und Partner/innen der Dreikönigsaktion aus Kolumbien, Uganda und Südafrika in das aufstrebende Bergbaugebiet um Lephalale im Norden Südafrikas. Trusha Reddy von unserer südafrikanischen Partnerorganisation WoMin fasste die Eindrücke in einem Fotobericht zusammen.

 

 

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